Hätte man nicht gewusst, dass das Fö N-Festival in einem zweitägigen Summit gipfelte, wäre das Prologprogramm von 09.09.24 bis 12.09.24 als ausgewachsener Aufwind für die Kunst der Kreativität durchgegangen. Fast alle Events, Workshops und Vorträge waren im Vorfeld ausverkauft. Unter der Flagge der Kreativität segelten die Besucher:innen und Teilnehmende auf unbekanntes Terrain und entdeckten fruchtbaren Boden für gute Ideen. Sie wurden Zeugen einer Schulgründung, schauten ins Gestern, ins Morgen, auf Kinoleinwände und kamen vom Denken ins Tun. Gemeinsam mit seinen Kooperationspartnern richtete das Orga-Team einen Scheinwerfer auf den Wert kreativer Prozesse für Gesellschaft, Wirtschaft und die Zukunft der Spezies Mensch. Dass dem einen oder der anderen dabei ein Licht aufging, war eine erwünschte Nebenwirkung mit Nachhall.
Ausverkaufter Auftakt und cineastische Diskussionsanstöße.
Das Fö N-Festival und der Film sind ein „match made in heaven“. Festival-Organisator Daniel Dlouhy ist selbst Regisseur und Produzent. Seine Passion für das Bewegtbild hielt der Tiroler Kulturvermittler nicht hinterm Berg, zur Freude der Besucher:innen des Festival-Prologs, der am Montag, den 09.09.2024 mit einem Filmabend im Innsbrucker Cinematograph begann. „Film ist ein kreativer Prozess und ein kreatives Produkt, ein kreativer Multiplikator. Film ist Kreativität in Reinform“ so Dlouhy. Mit der Wahl des Auftaktfilmes trafen der Tiroler Kulturfestival-Profi und seine Mitstreiter:innen ins Schwarze und mitten ins Herz des Publikums. Der rappelvolle Kinosaal zeigte sich unisono tief berührt von „Aware.“ In 102 Minuten nahm der 2021 veröffentlichte Film von Frauke Sandig und Eric Black das menschliche Bewusstsein auf bemerkenswert eindrückliche Art und Weise in den Fokus. Auch an den zwei nächsten Abenden wurde Kreativität mit Hilfe des Mediums Film zelebriert. Sowohl die "Fö N-Shorts" am Dienstag wie auch der mexikanische Spielfilm „Radical. Eine Klasse für sich“ am Mittwoch entpuppten sich als Garanten für angeregte Gespräche und lebhafte Diskussion im Nachgang.
Creative Barcamp Fö N Edition: Anti-Konferenz für Mut-Macher.
Über Schatten springen, den Mutmuskel trainieren, gemeinsam ins Tun kommen und die Kunst der Kreativität kultivieren: Ganz im Sinne des Wortes erschufen sich die 30 Teilnehmenden des Creative Barcamp Raum für neue Perspektiven und Platz für frische Ideen. Das Konzept eines Barcamps ist simpel wie wirkungsvoll: In einer Art „Anti-Konferenz“ gestalten die Besucher:innen ihr Programm selbst. Im Agnes-Heller-Haus der Universität Innsbruck lud der Verein Creative Barcamp Tirol am Dienstag, 10.09.24 zu zwölf so genannten „Sessions“, wie die etwa 45-minütigen Gesprächsrunden heißen. „Bei einem BarCamp gibt es keine Teil-Nehmer, sondern Teil-Geber“ erklärte Barcamp Tirol-Vereinsvorstand Hans Renzler das Konzept und freute sich zugleich über den enormen Zulauf und die schiere Vielfalt der Themen: Die Teilgeber brachten Impulse, Fragestellungen, Ideen und Konkretes zu Mindset, Kreativitätstechniken, Architektur und öffentlicher Raum mit. Nach dem Fö N geht das Creative Barcamp Tirol in die Verlängerung, die nächsten Sessions sollen im Frühjahr 2025 stattfinden.
Impulse. Frisch serviert. Creative Lunch im WEI SRAUM.
Der Bauch: Voll mit köstlichem Soulfood. Das Gehirn: Beflügelt von den Kurzvorträgen außergewöhnlicher Menschen. Das Herz: Beseelt von den Begegnungen mit alten Bekannten und neuen Freunden. Das Tiroler Designforum WEI SRAUM in der Innsbrucker Andreas-Hofer-Straße tischte am Dienstag, 10.09.24 seinen Gästen ein Mittagessen nach Art des Hauses auf: An der langen Tafel dinierten und sinnierten 25 Tiroler Kreative, Wirtschaftstreibende, Kulturschaffende und neugierige Menschen jeglichen Couleurs über die Macht der Trägheit, das Potential neuer Heimatbegriffe und den Menschen als von der Natur nicht zu lösendes Wesen. Das vegetarische 3-Gänge-Menü zauberte die Crew von one green table und wurde dafür über den grünen Klee gelobt. Genauso viel Applaus heimsten die Tischgespräche in Form von 10-minütigen Wortspenden zum jeweiligen Herzensthema von Philosoph Andreas Oberprantacher, Ethnologin Edith Hessenberger und Umweltanwalt Johannes Kostenzer ein. Mit vollem Munde wollte zwar niemand sprechen, zwischen den Gängen umso mehr. Das schmeckte auch Gastgeberin und WEI SRAUM-Geschäftsführerin Nicola Weber, die sich weitere Auflagen des Creative Table-Talks gut vorstellen kann.
Lust auf Zukunft: Frischer Wind für Wirtschaftskammer-Fachgruppen
Es sind aufregende Zeiten für Kreativschaffende in Fotografie, Film, Musikwirtschaft und Marketing: Künstliche Intelligenz stellt ganze Branchen auf den Kopf. Täglich tun sich neue, ungeahnte Möglichkeiten an der Schnittstelle zwischen Menschenkindern und maschinellen Schöpfern auf. Die Fachgruppen der Tiroler Wirtschaftskammer wollen nah am dynamischen Pulsschlag dieser Dynamiken bleiben und erkoren KI und Co. als eines der Leithemen ihrer Events und Workshops im Rahmen des Fö N-Prologprogrammes. Obmann Bernhard Holzhammer lud am Dienstag, den 10.09.24 seine Fachgruppenmitglieder zum Tag der Tiroler Film- und Musikwirtschaft und freute sich über eine „volle Bude“ in der Kulturbackstube Die Bäckerei. Auf dem Programm standen Fachvorträge und Branchentalks. Die Themen waren artifizielle Intelligenz im Film, alternative Finanzierungsmodelle für Musikschaffende, Gender Gap und Gleichstellung. Auch Ausbildung und Vernetzung kamen zur Sprache.
Die Innung der Tiroler Berufsfotografen scharte sich ebenfalls am Dienstag um den Berliner Fotografen und AI-Artist Uli Staiger. Der restlos ausverkaufte Vortrag „AI Bilder generieren – gute Idee oder böse Überraschung?“ sorgte für so manchen Aha-Moment. Auch tags darauf wusste Uli Steiger seine Schäfchen zu erstaunen. Im ganztägigen und ebenfalls ausverkauften Praxisworkshop griff er gekonnt in die KI-Trickkiste, die Teilnehmenden aus ganz Tirol bedienten sich begeistert am KI-gestützten Werkzeugkasten. Wie facettenreich die Kunst der Fotografie sein kann, zeigte sich dann am Fö N-Summit. Die Fachgruppe stellte 23 Werke des Tiroler Landesawards für Berufsfotografie im Innsbrucker Congress aus.
Verborgene Welten im Rampenlicht: Hinter den Kulissen von Landestheater und Landesmuseum.
Mäuschen spielen auf den Brettern, auf denen sonst nur die Mächtigen der Schauspielkunst stehen. Das wäre es doch! Gedacht. Gesagt. Getan! Was für ein Glück, dass die Fö N-Macher:innen Co-Direktorin Elisabeth Schack überzeugen konnten, Tür, Tor und Bühneneingang für zwanzig Neugierige zu öffnen. Was für Landestheater war das dann am dritten Tag des Fö N-Prologprogramms! Eine Stunde lang durfte hinter die Kulissen gelugt werden, wer eingangs Sorge hatte, das Theater könnte damit womöglich entzaubert werden, wurde eines viel Besseren belehrt. An und in jeder Ecke lauerte ein neues Faszinosum, Dramaturgin Schack wusste gekonnt und unterhaltsam die Neugierde ihrer Gäste zu stillen. Schließlich wurde man Zeuge eines kreativen Prozesses wie aus dem Bilderbuch: Wenige Tage vor der Premiere des Stückes „Verlangen“ der Tiroler Autorin Lisa Wetz schleiften und feilten die Mimen und Theatermacher:innen an den letzten Feinheiten. Schwer beeindruckt und zeitgleich beflügelt waren sich die Zeug:innen dieses extraordinären Abends sicher: Stille kann unerträglich laut werden und nicht immer entsteht aus Steinen am Weg ein Märchenschloss.
Wovon sie wohl träumen, die Abermillionen Dinge, die in den wunderlichen Kammern des Sammlungs- und Forschungszentrums (SFZ) der Tiroler Landesmuseen schlummern? Die wahrlich unzähligen Objekte aus 30.000 Jahren Menschheitsgeschichte sind sonst nur wenigen Augenpaaren vorbehalten. Am Donnerstag, den 12.09.24 durften die glücklichen Fö N-Prologticket-Besitzer:innen der Restauratorin Laura Resenberg in die heiligen, 8.000 m2 großen Archiv-Hallen folgen. Die zwanzig Teilnehmenden kamen gar nicht mehr heraus aus dem Staunen und Schauen und sich fragen: Waren wir Menschen einst kreativer? Oder: Nutzt sich Kreativität an Nützlichem ab? Nicht nur die Exponate selbst übten eine eigentümliche Anziehungskraft aus. Die hingebungsvolle Akribie und fast schon liebevolle Sorgsamkeit, mit der die 40 Mitarbeitenden des SFZ an ihr Tagwerk gehen, rührte an und warf wiederum neue Fragen auf. Aufregend fanden die Fö N-Besucher:innen auch die Vorbereitungen für den großen Umzug tausender Objekte vom Ferdinandeum nach Hall, wo sie bis zur Neueröffnung des Tiroler Landesmuseums im Jahr 2027 bleiben.
Stadt. Land. Chance: Urbane Architektur und Kultur in der Peripherie.
Von Wegzug und Leerstand, von neuem Raum in alten Häusern und der unbedingten Notwendigkeit, die Stadt an sich neu zu denken und das Dazwischen als Chance zu begreifen, handelte das Fö N-Prologevent am 11.09.24 in der BALE. 50 Interessierte lauschten dem Podiumsgespräch mit Immo-Experten Arno Wimmer und Max Danler, Kulturmanagerin Natascha Müllauer, Architektin Verena Rauch, Stadträtin Janine Bex und Leerstandsmanager Moritz Tonn. Stefanie Mössler von der alpS gmbh stellte Fragen zu Umsetzung, Herausforderungen und Perspektiven, nach einer Pause übernahm Christian Schärmer von proxi design und demonstrierte praxisnah am Beispiel der BALE, wie Zwischennutzung von Gebäuden auf vielen Ebenen Mehrwert stiftet. Thomas Bonora von der BALE resümierte: „Die Gespräche haben ganz klar gezeigt, wo wir als Tiroler Gesellschaft noch Potenzial ungenutzt liegen lassen. Vernetzungsmöglichkeiten, wie sie das Fö N-Festival bietet, spielen eine essenzielle Rolle, um uns künftig an internationalen Standards messen zu können.“
Die Stadt ist ein Ballungsraum für Kreative. Ländliche Gegenden sind Innovationsbrachland: Gängige Klischees, die es zu brechen und Wahrheiten, denen es zu begegnen gilt. Die Tiroler Kulturinitiativen und der Verein Polylog luden am Mitttwoch, den 11.09.24 just aus diesem Grund eine Expertin in die Wörgler Stadtgalerie. Claudia Zeiske beschäftigt sich als Aktivistin und Kuratorin intensiv damit, kreativ-kulturelle Prozesse in anti-urbanen Gegenden anzustoßen. Den Besucherinnen dieses Fö N-Prologprogrammpunktes erklärte Zeiske ihren Ansatz der „Transformational Fieldwork“ am Beispiel ihres Engagements im nördlichen Schottland. Klar wurde: Gemeinschaft schafft Veränderung. Globale Verantwortung beginnt im Regionalen. Und wir Menschen sind eine erstaunliche Spezies, die vielleicht doch noch zu retten ist.
Schluss mit Ferien. Die gute Idee macht endlich Schule.
Lässt sich das Kreativsein lernen? Wenn ja, wie geht das? Und noch viel wichtiger: Wer bringt´s einem bei? Tom Jank zum Beispiel. Er ist Texter, Konzepter und Stratege, Obmann der Fachgruppe Werbung in der Wirtschaftskammer Tirol und Teil jenes Duos, das den Fö N 2022 aus der Taufe hob. Im Zuge des Prologprogramms zum Fö N-Festival 2024 schlüpfte Jank erneut in die Rolle der Hebamme: Die Schule der Ideen wurde geboren. Getauft und auf die Beine gestellt noch obendrauf. Zwanzig junge Menschen durften als wahre Musterschüler:innen die erste Klasse der Schule der Ideen besuchen. Am „Grand Pilot Day“ wie das explorative Event genannt wurde, standen Theorie wie Praxis der Kreativität am Stundenplan. Die Schüler:innen lernten, warum kreative Prozesse ein Paradoxon sind, einander nie gleichen und Routinen, Hartnäckigkeit, Zufall und ein Spaziergang mächtige Waffen gegen Trägheit sind. Auch der differenzierte Blick auf das zweischneidige Schwert digitaler Versuchungen fehlte nicht. Als alte Hasen im Kreativgeschäft konnten Tom Jank und Gastlektor Leonard Sommer den jungen Wilden das gänzlich analoge Glück der Langeweile näherbringen und waren sich am Ende des ersten Schultages selig. Trotz und wegen ihrer mit Fragen gelöcherten Bäuche. Hier noch ein Satz von Tom, wie es mit der Schule der Ideen weitergehen soll.
Hand und Werk: Von digitalen Rebellen und überzeugten Haptikern.
Wer billig kauft, kauft zweimal. Was für Sachen gilt, ist für die Produkte der so genannten Kreativwirtschaft genauso wahr. Wie der Spagat zwischen einer hoch gelegten Latte der Qualität und einem Bewusstsein für die Endlichkeit von Finanzmitteln dennoch gelingen kann, explorierte ein gutes Dutzend Tiroler Filmschaffender am dritten Festivaltag. Die Mountain Film City und die Filmbase holten SFX-Guru Christian Stanzl für einen Blick in die Trickkiste des britischen Regisseurs Gareth Edwards. Ebendieser hat den Ruf, für „wenig“ Geld großes Special Effekt-Kino machen zu können. Zuerst wurde ein Making-of geschaut, dann gefragt. Stanzl erklärte die Tricks und Kniffe des „The Creator“-Machers und gab konkrete Tipps für das eigene filmische Treiben der Teilnehmenden.
Anpacken. Zulangen. Angreifen. Begreifen. Erfassen und befassen: Kreativität ist eine geistige Disziplin und immer auch ein Handwerk. Einer, der das seine meisterlich beherrscht, ist Buchbinder Bernhard Sanders. Als fester Bestandteil der heimischen Gestalter:innen-Szene teilt er sein Wissen regelmäßig mit Bibliophilen und allen, die Hunger nach haptischen Ausdruckformen der Kreativität verspüren. Sein Workshop „Material Speed Dating“ am 12.09.24 entpuppte sich als Kontaktbörse für Hand, Hirn und Material. Die Workshop-Teilnehmenden ritzen, schnitten und stauchten Papier und Pappe zu dreidimensionalen Dingen. Nach drei Stunden intensiven Werkens zierte so manche Blase zarte Bürohände. Ein eindrücklicher Beweis dafür, dass wir Kreativität wollen müssen. Auch wenn´s manchmal wehtut.